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Frühjahrsausflug 3.5.2023 «Zukunft Drei-Seen-Land»

Die Teilnehmenden der Alten Garde Pieterlen pflegten auf dem Frühjahrsausflug die Kameradschaft, den geselligen Austausch und erlebten einen spannenden gemeinsamen Frühlingstag, zudem schärften sie das Bewusstsein über die Zukunft des wertvollen Kulturlandes im Grossen Moos.


Die Herausforderungen im Grossen Moos sind riesig: Das Bevölkerungswachstum in der Schweiz nimmt seit 1800 immer stärker zu. Die Ausdehnung der Siedlungsfläche hat vor allem auf Kosten der besten Fruchtfolgeflächen im Mittelland stattgefunden. Die Biodiversität nimmt nachweisbar ab. Der fruchtbare Boden im ehemals trockengelegten Moor schwindet seit Jahren. Durch den Kontakt mit dem Sauerstoff sackt er in sich zusammen. Pro Kopf steht ein Drittel weniger produktive Ackerfläche zur Verfügung als noch vor 30 Jahren. Die Ernährungssicherheit wird zudem durch die Klimaerwärmung gefährdet, wie auch der vergangene Sommer gezeigt hat. Die Schweiz ist davon stärker betroffen als viele andere Länder. Diese prognostizierte Erwärmung ist verbunden mit der Zunahme von extremen Wetterereignissen wie Starkregen und Hitzeperioden. Immer mehr Anspruchsgruppen versuchen ihre Interessen im Drei Seen Land zu sichern – neu schlägt eine Studie gar vor, dass dieser Landesteil geeignet wäre, zum Aufstellen Windrädern und damit zum Sicherstellen der Energiewende. Unsere Gesellschaft steht vor grossen und mehrschichtigen Herausforderungen - wie können sie gelöst werden?

«Wenn Engel reisen, lacht der Himmel»: Nach einer langen Regenperiode empfing uns der 3. Mai 2023 mit prächtigem Frühlingswetter. Die Landschaft strahlte in leuchtenden Farben. Die 64 Teilnehmenden nahmen die kurze Fahrt nach Hagneck entsprechend erwartungsvoll in Angriff. In Mörigen blühten die Kirschbäume und die Obstkulturen prächtig, der Bielersee präsentierte sich in einem einmaligen Blau. Die Landschaft erschien richtig «herausgeputzt» und bereit, die fröhliche Reiseschar im Grossen Moos zu empfangen.


In Hagneck stärkten wir uns im Restaurant Brücke mit Kaffee und Gipfeli, offeriert von der Einwohnergemeinde Pieterlen. Hagneck ist symbolisch der Start für unsere Tour, hier wurde anlässlich der ersten Juragewässerkorrektion (1868 – 1891) der Hagneckkanal und damit eine von mehreren Voraussetzungen geschaffen, um das Seeland nachhaltig zu entwässern. Vom hier aus konnten wir den massiven Geländeeinschnitt und das neue Kraftwerk sehr gut erkennen.

«Wenn der April Spektakel macht, gibt’s Heu und Korn in voller Pracht». Mit dieser Bauernregel wurden wir im Inforama, Ausbildungszentrum für berufliche Bildung Ins, freundlich empfangen. Die Bauernregel dürfte Recht bekommen, die Monate April und Mai haben in diesem Frühjahr wettermässig so richtig Spektakel gemacht.

Ein ungewohntes Bild: Die Alte Garde Pieterlen lauscht im Hörsaal den Ausführungen der beiden Referenten Markus Ith und Peter Thomet.

«Zum Verständnis der heutigen Situation muss man die Wurzeln der Landschaft kennen, nur so kann man sie verstehen und die Verantwortung dafür wahrnehmen»: Peter Thomet, Agronom und Geschäftsführer vom Verein Landschaftserbe Drei-Seen-Land nahm uns mit in die Entwicklungsgeschichte des Seelandes. Das Drei Seen Land ist geschichtliches Schlüsselgebiet vom Schweizer Nationalstaat, welches vor rund 22'000 Jahren vom Wallisergletscher mehrmals ausgehobelt wurde und sich heute für die Ernährungssicherung prädestiniert. Pieterlen gehört auch zum Drei Seen Land, es erstreckt sich von der Ebene um Orbe über Solothurn und hinaus bis gegen Wangen an der Aare, der ehemaligen Frontmoräne des Gletschers. Avenches war 450 Jahre lang die Hauptstadt des Gebietes der Helvetier und Römer, welches sich seinerzeit vom Genferseebecken bis weit in die Nord- und Ostschweiz hinauszog. In der Zeit der Helvetier und Römer war die Gegend eine blühende Gesellschaft auf durchgängigem Land, der Moosboden war fruchtbar und lieferte den Menschen eine ertragreiche Lebensgrundlage. Erst die kleine Eiszeit hat das Kerngebiet der Helvetier zur heutigen Landschaft geformt, wie wir sie kennen.

Das Drei Seen Land spielte bei der Gründung des heutigen Bundesstaates 1848 eine ganz besondere Rolle: Ulrich Ochsenbein, der Präsident der Verfassungskommission, spätere Bundesrat und erster Bundespräsident war eng mit dem Seeland verbunden. Er wusste von der versumpften Seenlandschaft der Armut der Menschen und ihren Krankheiten. So wurde die Juragewässerkorrektion zu einer Staatsaufgabe im jungen Bundesstaat Schweiz. Eine weitere Persönlichkeit damals war General Henri Dufour, ein kluger Mitbürger, Ingenieur und Humanist, der das Zusammenkommen zwischen den Katholiken und den radikalen Abtrünnigen förderte, später Mitbegründer des Schweizerischen Roten Kreuzes wurde und Entwickler der ersten schweizerischen Landeskarte war. Als dritte «Persönlichkeit» wurde als verbindendes Symbol die Helvetia geschaffen, welche heute noch unsere Münzen prägt. Sie sollte eine Brückenfunktion zwischen den einzelnen Landesteilen darstellen.

«Wie sollen wir in Zukunft zum Erhalten der Ernährungssicherung richtig handeln?» Bei den vielen Herausforderungen dürften die Chancen überwiegen, da ist auch Peter Thomet überzeugt. Die hohe Wirtschaftskraft unserer Gesellschaft, neue und bessere Pflanzenzüchtungen und vor allem das im Drei Seen Land reichlich vorhandene Wasser sind beste Gelingensbedingungen für positive Entwicklungen im Bereich Ernährungssicherung. Das Wassermanagement im Drei Seen Land wird als nächste grosse Herausforderung genannt. Es hat genug Wasser in der Gegend, das Wasser muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort verfügbar sein. Peter Thomet empfiehlt 3 Handlungsempfehlungen: Gesetzliche Rahmenbedingungen weitsichtig umsetzen, ertragssichere und standortgerechte Landwirtschaft fördern sowie den Naturschutz klug und das "Ganze" integrieren.


Der Verein Drei Seen Land versucht diese riesigen Herausforderungen zu koordinieren und mit zahlreichen Projekten von der Basis aus, also von den Grundeigentümern her, anzugehen. Markus Ith, Geschäftsführer vom Verein Zukunft Drei Seen Land und ehemaliger Grossratspräsident des Kantons Freiburg zeigte uns auf, wie man gedenkt, die Herausforderungen anzupacken und umzusetzen. Der Verein bezweckt die koordinierte Weiterentwicklung der Landschaft Drei Seen Land in den Bereichen Landwirtschaft, Biodiversität und wirtschaftliche Entwicklung. Der Verein wurde im Jahr 2018 gegründet und führt im Mai 2023 seine 2. ordentliche Mitgliederversammlung ab. Aktuell sind 58 Gemeinden, 14 Burgergemeinden und 20 Institutionen aus den Bereichen Agronomie, Wirtschaft und Freizeit angeschlossen, Pieterlen (noch) nicht. Diese überkantonale Herkulesaufgabe der Koordination und Weiterentwicklung versucht man regional verankerten sogenannten Mehrzweckgenossenschaften umzusetzen.

Die Reise geht weiter. Kompliment, die Chauffeure steuerten die grossen Busse gekonnt über die schmalen Feldwege und die engen Kurven im Grossen Moos.


Was sagen nun die Gemüsebauern zur aktuellen Situation, wie beurteilen sie die Zukunft? An einem symbolträchtigen Standort, einem Wasserlauf westlich von Ins erklärte uns Fritz Schwab, Gemüsebauer aus Ins eindrücklich seine persönliche Situation als Unternehmer. Der Boden und die Wetterbedingungen sind lebendig, er muss sich immer wieder anpassen. Die gesetzlichen Vorgaben sind streng, manchmal zu eng für Gemüsebauer Schwab. In seinen Ausführungen spürt man die Spannungen zwischen den mannigfaltigen Interessengruppen wie Naturschützer, Agrarorganisationen, Gemüseproduzenten und dem immer stärker eingreifenden Staat. Er appelliert an die Gesellschaft, dass krumme Rüebli und nicht ebenmässiges Gemüse ebenso wertvoll seien. In der Diskussion kommt bald die Vermutung zum Ausdruck, dass wohl der Handel uniforme Produkte wünscht, nicht unbedingt die Konsumenten, jedenfalls nicht die Mitglieder der Alten Garde Pieterlen.

Fritz Schwab erklärt, wie der Boden durch das Einbringen und sorgfältige Untermischen von gutem Humus, der meist aus Baugruben der Umgebung stammt, verbessert werden kann. Humus ist rar und es braucht viel davon, um die Bodenerosion zu stoppen. Ist grossflächige Bodenverbesserung durch das Einbringen von neuem Humus überhaupt möglich? Bis dieser Boden nach dem Aufmischen mit gutem Humus von Mikroorganismen und Würmern durchsetzt ist, dauert es einige Jahre, erst dann kann erneut Gemüse angebaut werden. Diese Art von Bodenverbesserung ist gesetzlich streng geregelt und soll koordiniert umgesetzt werden, insgesamt eine riesige Aufgabe.


Im Grossen Moos findet man immer wieder vom wunderschönen, harten und zähen Gestein Alalin-Gabbro aus dem hinteren Saastal, eine Hinterlassenschaft des Gletschers. Peter Thomet zeigt uns ein Exemplar aus der Randmoräne des Gletschers, welches er in rund 900 m Höhe am Chasseral gefunden hatte.


Austausch und Erholung beim Mittagessen in Restaurant Biberenbad.

Nach dem Mittagessen besuchten wir einen weiteren Unternehmer, den Gemüseanbaubetrieb Thomas Wyssa in Galmiz.

Die moderne Gemüseproduktion erfolgt in digitalisierten Gewächshäusern, auf Freiland Hors-Sol-Anlagen und auch ganz konventionell in der schwarzen Erde des Moosbodens. Mehr als zwei Drittel des Umsatzes liefert die Firma oft mehrmals täglich ins Verteilzentrum eines Grossverteilers in Estavayer-le-Lac, wo das Gemüse vorab in der Westschweiz, dem Wallis und je nach dem auch in der Deutschschweiz verkauft wird. In den modernen Treibhäusern werden Gurken, Auberginen und verschiedene Tomatensorten produziert. Die Gurken wachsen nicht auf der natürlichen Erde, sondern Hors-Sol in einem Substrat. Die Pflanze dient die ganze Saison und wird zuerst in die Höhe gezogen und später immer weitergeführt, bis sie im Herbst ihren Dienst geleistet und Duzende, Hunderte von gleichförmigen Gurken hervorgebracht hat. Wasser, Dünger, Temperatur, Licht und Schatten werden durch den Computer gesteuert und ständig optimiert. Es geht darum, mit minimalem Aufwand «just in time» perfektes Gemüse liefern zu können. Eindrücklich. Die Teilnehmenden lauschen den interessanten Ausführungen der Fachpersonen, die Zeit schreitet rasch voran. Es ist spannend, für einige auch anstrengend, in den Treibhäusern herrscht eine hohe Wachstumstemperatur.


Die Tomaten und Auberginen werden auf dem natürlichen Boden produziert. Die Bestäubung der Blüten erfolgt durch Hummeln, die im richtigen Moment eingesetzt werden.

Der Salat "tricolore" wird Hors-Sol unter freiem Himmel produziert, Wasser- und Düngerzufuhr sind optimiert. Auf Pestizide und Insektizide kann verzichtet werden. Braucht es künftig die wertvolle schwarze Erde vom Grossen Moos noch?

Damit der Gemüsebauer seine Wertschöpfung steigern kann, liefert er seine Produkte gleich abgepackt an den Detailhändler. Dafür muss er in verschiedene Abpackmaschienen und Kühllager investieren, überhaupt: Die Investition in Anlagen und Technik und Know-How sind enorm. In diesem Familienbetrieb arbeiten bis zu 80 Personen, die meisten sind ganzjährig angestellt. So kann leistungsfähige und nachhaltige Gemüseproduktion aussehen und gibt uns eine Antwort auf die Frage nach der Ernährungssicherung.


Fazit: Das grösste zusammenhängende, noch nicht überbaute Gebiet und gleichzeitig der grösste Gemüsegarten der Schweiz liegt unweit von uns im Grossen Moos. Auf diesem Frühjahresausflug haben wir mit dem Car zwar lediglich wenige Kilometer zurückgelegt, aber umso mehr Hintergründe zum Nachdenken mit nach Hause genommen. Möge die Weiterentwicklung der kostbaren Kulturlandschaft im Interesse der kommenden Generationen gelingen.

Beat Aeschbacher
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