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2024: 60 Jahre Jubiläum

Aktualisiert: 9. März

1964– 2024 Rückblick auf die Gründung vor 60 Jahren

Text von Gründungsmitglied Alfred Rentsch, vorgetragen an der Generalversammlung 2024


Im Frühling 1964  - ich war seit dem 1. Januar neuer, junger Gemeindepräsident  - meldeten sich bei Arnold Schneider auf der Gemeindeschreiberei - em «Läng», bekanntlich einem «Schmid Joggi» - drei ältere Mitbürger und suchten um ein Gespräch mit dem Gemeinderat nach. Es waren dies Fritz Kunz-Künzi «Chäser Fritz», Vater Paul Stotz vom Buchsweg und Hermann Rothen aus dem «Räbli», alle drei mit Jahrgang 1894 und älter (Fritz Kunz «Chäser Fritz hatte Jahrgang 1890). «Es seien in diesem Jahr 50 Jahre seit der der 1. Mobilmachung im Jahre 1914 vergangen, meinten sie, und ihre Absicht war es, alle Kameraden, die damals Anfang August hatten einrücken müssen, zu einer Gedenkfeier einzuladen».


Gründung

Wir nahmen Kontakt auf mit David Glatz, damals Sektionschef und selbst ein persönlich Betroffener, führten von der Gemeinde eine Umfrage durch und nahmen mit etlichen Bürgern Kontakt, und so gelang es - es galt ja auch in der Zwischenzeit zugezogene Mitbürger zu erfassen - eine wohl vollständige Liste zusammenzustellen. Die Gedenkfeier sollte am 4. August 1964, dem Tag der Mobilmachung im Ersten Weltkrieg, im Restaurant «Pfauen» stattfinden. Entsprechend wurde die Einladung verschickt.

 

Etwas zur Vorgeschichte zum Ersten Weltkrieg

Auf dem Balkan, in den Untertanenländern der mächtigen österreichisch-habsburgischen Monarchie, kam es immer wieder zu Unruhen. Und diese Unruhen wurden geschürt von Serbien. Bei einem Besuch in Bosnien wurde der österreichische Thronfolger, Erzherzog Franz-Ferdinand, Sohn von Kaiser Franz Josef, und seine Gattin Sophie in den Strassen von Sarajewo durch Pistolenschüsse in ihrer Kutsche umgebracht. Das war Ende Juni 1914. Darauf folgte bekanntlich die Julikrise 1914.

 


Kaiser Franz Josef vermutete Serben hinter dem Attentat und stellte Serbien ein Ultimatum, das aber nicht erfüllt wurde. Und so erklärte Österreich am 28. Juli 1914, einen Monat nach dem Attentat, Serbien den Krieg. Ihm schloss sich der deutsche Kaiser Wilhelm II. an. Damit bildeten Österreich und Deutschland im aufkommenden Weltkrieg die sogenannten Mittelmächte Frankreich, Russland und England mit seinen Kolonien – deshalb «Weltkrieg» – schlossen sich zur «Entente» zusammen. Im Jahre 1917 griffen auch die USA als Verbündete von England und Frankreich in den Krieg ein und entsandten erstmals Truppen über den Atlantik. Das zweite Mal war es bekanntlich im Jahre 1943.

 

 

Und in der Schweiz?

In der Schweiz erliess der Bundesrat auf den 3. und 4. August 1914 die erste Kriegsmobilmachung der Geschichte. Dies mit Telegramm an alle Gemeinden und Plakataktion. Noch aber musste der General ernannt werden. Und so wurden auf den 3. August 1914, einem Montag, der Nationalrat und der Ständerat zur gemeinsamen Sitzung einberufen. Nach Verfassung ist für die Wahl des Oberkommandierenden der Armee die Bundesversammlung zuständig. In Frage kamen zwei Korpskommandanten, Ulrich Wille, ein Zürcher, Kommandant des 3. Armeekorps, und Theophil Sprecher von Bernegg, ein Bündner, von Maienfeld, Kommandant des 4. Armeekorps. Vor allem die Vertreter der französischsprachigen Schweiz meldeten Bedenken an gegenüber Ulrich Wille wegen seiner familiären - und wohl nicht nur familiären - Beziehung zu Deutschland und damit zeichnete sich eine Mehrheit ab für von Sprecher. Der Bundesrat aber setzte sich - ohne Antragsrecht - für die Wahl Willes ein. Mehrere Male wurde die Wahl verschoben, wurden Gespräche geführt, auch zwischen den beiden Kandidaten, bis sich von Sprecher zum Verzicht entschied und dafür bereiterklärte, das Amt des Generalstabschefs zu übernehmen. Im Abend des denk-würdigen Tages konnte die Wahl vollzogen werden: Von den 192 - und nach Abzug der 7 leer eingelegten Wahlzettel - abgegebenen gültigen 185 Stimmen entfielen 122 auf Ulrich Wille und trotz allem noch deren 63 auf Theophil von Sprecher.

 

Diese Differenzen zwischen Deutsch und Welsch blieben aber bestehern, entsprachen den Meinungen im Volk, beeinflussten die Zu- und Abneigung gegenüber den Kriegsmächten und belasteten die politische Stimmung im Land. In dieser heiklen Situation hielt der Dichter Karl Spitteler seine berühmte Rede. Unter dem Titel «Unser Schweizer Standpunkt» rief er zur Zurückhaltung in der Parteinahme und zur Einheit im Volk auf. Ihn kennen wohl viele unter uns als Verfasser des Gedichtes «Die jodelnden Schildwachen» als humorvollen Patrioten. Spitteler wurde 1919 der Nobelpreis für Literatur verliehen.



 

Unsere Pieterler Grossväter in der Ajoie

Unsere Seeländer Dienstpflichtigen mussten nach dem Einrücken gleich den Marsch durch den Jura, Richtung Delémont und les Rangiers in die Ajoie antreten und wurden von La Caquerelle hinunter in die Dörfer Asuel, Pleujouse, Frégiécourt, Charmoille und Miécourt verteilt, wo sie für mehrere Monate - ohne Urlaub und ohne Lohnausfallentschädigung, Kantonnemente in Schulhäusern, Gaststätten und Turnhallen bezogen. Ihr Auftrag: Die Grenze zwischen Boncourt und dem Laufental zu bewachen und notfalls zu verteidigen.



Woher wir das wissen?

Am 4. August 1984 trafen sich 30 ehemalige Kameraden, die am 4. August 50 Jahre zuvor zum Aktivdienst eingerückt waren, alle mit Jahrgang 1894 und älter - ihrer dreissig insgesamt. Und mit ihnen dabei der Gemeindepräsident und der Gemeinde-schreiber. So bin ich tatsächlich seit 60 Jahren Mitglied der Alten Garde. Eigentliche Gründer bleiben aber die drei Initianten Fritz Kunz-Künzí «Chäser Fritz», Stotz Paul und Rothen Herme. Wer denkt da nicht unwillkürlich an die drei Eidgenossen, die sich 1291 auf dem Rüti trafen? Fritz Kunz wurde zum ersten Obmann bestimmt, und man beschloss einstimmig, sich alle Jahre wieder am 4. August im «Pfauen» Zu treffen.

Und so gingen die ersten Jahre vorbei. Im Jahre 1972 aber beschloss man die erste gemeinsame Ausfahrt, die sogenannte Jurafahrt. Sie musste auch am 4. August stattfinden, und als Ziel wählte man  - nun bequem im FUNICAR - die Fahrt in die Ajoie, über Delémont und Les Rangiers, schob bei La Aquarelle einen Halt ein und stattete dem Grossen Fritz einen Besuch ab, bog dann aber hinunter nach Asuel und Frégiécourt und nach Miécourt zum ersten Halt. Und da wurden manch eine Erinnerung wachgeweckt und Erlebnisse ausgetauscht!

 

Wem käme bei der Durchfahrt in Courgenay nicht die «Petite Gilberte» im Hôtel de la

Gare in den Sinn:



Den Mittagshalt gab's in St-Ursanne, wo zwei Alte Gardisten kurz verloren gingen. Die Suche wurde gestartet und man fand die beiden rasch im Hôtel de la Lune bei der Brücke über den Doubs bei einem Zweierli Roten.

 

Und noch etwas entwickelte sich in der Alten Garde bereits in diesen ersten Jahren: Bald einmal wurden alle Kameraden zum Beitritt in die Alte Garde eingeladen, die im Ersten Weltkrieg Aktivdienst geleistet hatten, auch Hilfsdienstpflichtige. Das war eine erste sinnvolle Geste.

 

Übrigens

Ihre Verbundenheit mit dem Dorf stellte die Alte Garde bereits ein Jahr nach ihrer Gründung unter Beweis: Im Jahr 1965 feierte Pieterlen seine 150-jährige Zugehörigkeit zum Kanton Bern, also den Wechsel nach der Franzosenzeit vom Fürstbistum Basel zum Amtsbezirk Büren und damit zum Kanton Bern. Im grossen Umzug marschierte ein Trupp ehemalige Soldaten mit, im alten Ex-Tenue und mit Langgewehr. Und weil man etwas zu wenig Mitglieder aufbieten konnte, verstärkte man die Alte Garde durch Junioren - wohl vom FC Pieterlen  - die man in die alten Uniformen steckte. Sie wirkte auch mit bei der Aktion «Schweiz bewegt» im Jubiläumsjahr 1991.

 

Bei dieser Gelegenheit kann auch geklärt werden, wie mit mir alle Gemeindepräsidenten und -präsidentinnen Ehrenmitglieder der Alten Garde werden, wenn sie wollen: Ab 1969 war ich ja für eine Amtsperiode nicht mehr Gemeindepräsident, hatte aber bei weitem nicht das Alter für die Mitgliedschaft. Damit ich weiterhin dabei sein durfte, ernannte man mich einfach zum Ehrenmitglied. Und weil man am Brauch festhielt, dass der amtierende Gemeindepräsident zu den Versammlungen eingeladen wird und er oder sie dabei jeweils über die aktuellen Probleme orientiert, wurde der Brauch weitergeführt. Und so wurden nach mir Ferdinand Sperisen, Martin Hutzli, Hansruedi Sutter, Ueli Anliker, Brigitte Sidler Ehrenmitglieder - nicht aber Hugo Udry, der in seiner vierjährigen Amtszeit auf eine Beziehung zur Alten Garde verzichtete.

 

Es gab verschiedene Höhepunkte in den 60 Jahren seit der Gründung: Dazu zählen die regelmässigen interessanten Ausflüge und Besichtigungen, die Vorträge, der Besuch von Bundesrat Samuel Schmid, die Jubiläen  - zum 25-Jahr-Jubiläum besuchte die Alte Garde das Rütli, zum 50-Jahr-Jubiläum standen ein Besuch des Berner Rathauses und des alten Kornhauses, zudem ein Augenschein beim Schlachtdenkmal im Grauholz und die eigentliche Feier im Mehrzweckgebäude auf dem Programm.

 

Zweiter Weltkrieg

Ebenso wichtig scheint mir  - und es spricht für die Alte Garde - dass sie auch immer wieder ihre Struktur, wenn nötig auch ihre Statuten der Zeit und den Wandel der Zeit angepasst hat. Der erste grössere Schritt war derjenige der Aufnahme all derjenigen Kameraden, die 1939 die 2. Mobilmachung miterlebt hatten und damit die Zeiten des Aktivdienstes von 1939 bis 1945. Der Ausbruch des Krieges traf die Schweiz nicht unvorbereitet: Die Einverleibung von Österreich und der Tschechoslowakei im Jahre 1938, der Misserfolg der Friedenskonferenz von München, die Verträge zwischen Mussolini und Hitler, aber auch zwischen Deutschland und Japan, schliesslich der Nichtangriffspakt mit Russland - das waren klare Vorzeichen für eine bevorstehende militärische Auseinandersetzung. Die Mobilmachung der Schweizer Armee fand am 1. September 1939 statt, am Tag, als Hitlers Truppen in Polen einmarschierten. Mit der Teilnahme Japans, Russlands und ab dem Angriff auf Pearl Harbour auch der Vereinigten Staaten von Amerika, mit den Kämpfen in Afrika, im Vorderen Orient, im Pazifik, zu Land, zu Wasser und in der Luft, wurde die Auseinandersetzung zum, die ganze Erdkugel umfassenden Zweiten Weltkrieg, in dem erst die zwei Atombombenabwürfe auf Japan Anfang August 1945 die letzte Entscheidung brachten.

 

Zum General wählte die Vereinigte Bundesversammlung am 30. August 1939 auf Anhieb den Waadtländer Henri Guisan - diesmal in grosser Einmütigkeit. Er erhielt im ersten Wahlgang 204 der gültigen 229 Stimmen. Im Juli 1940 - Frankreich war von den Deutschen bereits besetzt, viele Angehörige der französischen Armee waren in die Schweiz übergetreten und interniert worden - trug er persönlich den auf dem Rütli versammelten Offizieren vom Major an aufwärts seine Réduit-Strategie vor, eine Strategie des unbedingten Widerstandes der Armee. Der «Rütli-Rapport» ist in die Geschichte eingegangen.1945, im August, gab er das Kommando als Oberbefehlshaber ab; 1960 ist er verstorben und in Pully am Genfersee beerdigt worden.



Die Alte Garde war schon seit längerem dazu übergegangen, alle ehemaligen Wehrmänner im Jahr ihres 65. Geburtstages als Mitglieder aufzunehmen. Einen weiteren Schritt in ihrer Entwicklung machte sie mit der Revision ihrer Statuten im Jahre 2009 und deren Anpassung an die neue Bundesverfassung Art. 59 und 61 betreffend Militärdienst, zivilem Ersatzdienst und Zivilschutz. Seitdem gelten dieselben Aufnahme-Kriterien für Männer und Frauen.

 

Schon seit langem ist die Alte Garde dazu übergegangen, alle Jahre ein Programm mit vier verschiedenen Anlässen anzubieten: Einem Vortrag in den ersten Monaten des Jahres, einem Ausflug mit den Partnerinnen im Frühsommer, einer Exkursion für die Mitglieder Anfang September - in Erinnerung an die Mobilmachung im Jahre 1939 – und der General-versammlung im November.

 

Ein Letztes

Das sechzigjährige Bestehen unserer Alten Garde können wir heute nur deshalb feiern, weil ein tüchtiger Obmann – von Fritz Kunz «Chäser Fritz» bis zu Beat Aeschbacher - mit einem zuverlässigen, engagierten Vorstand und mit ihnen treue Helferinnen und Helfer sich über 60 Jahre in ihren Dienst gestellt haben.

 

Das wissen wir zu schätzen und dafür sind wir dankbar. Meine besten Wünsche begleiten die Alte Garde in ihre weitere Zukunft.

 


Alfred Rentsch

Jubiläums-Generalversammlung 6. November 2024


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